Bauten am Steeler Tor im 20. Jahrhundert

Außerhalb des alten Stadtkerns, vor dem ehemaligen Steeler Tor, entstanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts mehrere Bauten, die Zeugnis ablegten von der Vielfalt des religiösen Lebens in Essen: die Synagoge, die Altkatholische Friedenskirche und das katholische Hospiz.

Sie lagen am Jahrhundertbrunnen , dessen Grundsteinlegung am 3. August 19 02 stattfand. Genau 100 Jahre zuvor hatten preußische Truppen Stift und Stadt Essen, die bis dahin selbständig waren, in Besitz genommen. Der Münchener Bildhauer Ulfert Janssen entwarf eine Kolossalfigur aus Muschelkalk, die in stilisierter Form die Arbeit an sich darstellen sollte.

Im Jahr der Denkmaleinweihung – 1907 – fand ein Architektenwettbewerb für den Bau einer neuen Synagoge statt. Die Essener jüdische Gemeinde war mit der Großstadtwerdung Essens gewachsen und benötigte ein größeres Versammlungshaus. Der Architekt Edmund Körner (1874-1940) entwarf in Zusammenarbeit mit Gemeinde und Rabbiner einen monumentalen Kuppelbau. So entstand 1911-1913 eine der größten Synagogen Deutschlands mit 70 Metern Länge, 30 Metern Breite und einer Kuppelhöhe von 34 Metern.

Die Synagoge überstand, wenn auch beschädigt, die Brandschatzung in der Pogromnacht durch die Nationalsozialisten (9./ 10. November19 38 ) und die Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg.

Da das Gebäude für die neue Essener jüdische Gemeinde zu groß war, blieb es in der Nachkriegszeit lange ungenutzt. Erst 1961 wurde es für eine Designausstellung umgebaut. 1980 schließlich eröffnete die „Alte Synagoge“ – eine neue weihte die jüdische Gemeinde 1959 an der Sedanstraße ein - als Gedenkstätte und historisch-politisches Dokumentationsforum. Sie entwickelt sich heute hin zu einem Haus der jüdischen Kultur.

Drei Jahre nach Fertigstellung der Synagoge wurde 1916 die alt-katholische Friedenskirche geweiht. Die Trennung zwischen römisch-katholischer und altkatholischer Kirche erfolgte in den Jahren 1870 – 1874. Ausgangspunkte waren die Papstdogmen des I. Vatikanischen Konzils von 1870. In Essen bildete sich 1872 eine alt-katholische Gemeinde. Die Entwürfe für den ab 1912 im Auftrag der Stadt Essen geplanten ersten eigenen Kirchenbau der Gemeinde fertigte der Architekt Dr.-Ing. Albert Erbe (1868– 1922) als Leiter des Essener Hochbauamtes. Er betonte sowohl die Eigenständigkeit der Baugruppe aus Unterkirche (Gemeindesaal), Kirche, Pfarrhaus, Schule und Turm als auch ihre Ensemblewirkung mit der benachbarten Synagoge und dem Jahrhundertbrunnen. Backstein und Hausteinelemente sind die wesentlichen Materialien. Die farbenprächtige, rein ornamentale Ausgestaltung des Innenraumes als ein Dreiklang aus Glas, Wandmalerei und Mosaik schuf der niederländische Künstler Jan Thorn Prikker (1868 – 1932), der von 1913 – 1917 als Dozent an der neugegründeten Handwerker – und Kunstgewerbeschule in Essen wirkte. Die Kirche diente als Referenzbau der Schule. Seit 2002 hat die Kirchengemeinde unterstützt von zahlreichen Sponsoren das Gebäude saniert und die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Farbgestaltung des Innenraumes wiederhergestellt. Auch die pagodenförmige Turmhaube der Kirche wurde 2010 rekonstruiert.

Das benachbarte Katholische Stadthaus an der Bernestraße (Planung Architekt Hans Merl) diente ursprünglich als Hospiz des katholischen Gesellenvereins. Die 1912 fertiggestellte Fassade ist mit Handwerkersymbolen geschmückt. 1859 hatte der Verein ein erstes Gesellenhaus am Steeler Tor bezogen und 1895 zu einem Hospiz umgebaut. Hier konnten ledige Handwerksgesellen, die auf der Suche nach Arbeit in die aufstrebende Industriestadt kamen, essen und wohnen.